nervös?
dieter: "ein bisschen".
rené: "ein bisschen".
matthias: "ja, schon ein bisschen".
stefan: "ja."
mehr als viereinhalb jahre nach ihrem abschlusskonzert am 21. april 2001 stand im dezember 2005
die einst als miscellanea bekannte band noch einmal in originalbesetzung auf der bühne
im alten schlachthof hollabrunn.
ein blick zurück:
irgendwann im herbst 1996 beschlossen die damals zwischen 17 und 20jährigen aus der gegend um
stockerau und korneuburg stammenden dieter (gitarre), stefan (gesang, gitarre), matthias (bass) und
rené (schlagzeug, gesang) eine band zu gründen.
obwohl die vier schon zuvor in irgendeiner form musiziert hatten, auf dubiose, vollkommen
unbekannte vorgängerbands zurückblicken konnten und teilweise sogar musikschulunterricht
genossen hatten, konnten sie am tag ihrer gründung ihre instrumente kaum spielen. böse
zungen behaupten, der charmant-dilettantische stil der anfangstage hätte dann auch die gesamte
zeit der band überdauert.
ihr musikalisches hauptquartier bezog die "miscellanea" getaufte band im zum hobbyraum
ausgebauten keller im elternhaus des sängers. über den sinngehalt des namens herrschte
lange zeit unklarheit, für die mitglieder stand fest, dass miscellanea gut klingt, nett
aussieht und phantastisch riecht. die unklarheit in bezug auf die bedeutung blieb.
1998 fand der erste auftritt der links angesiedelten combo ausgerechnet im pfarrzentrum
stockerau statt, weitere in der umgebung folgten, die band erspielte sich rasch einen namen.
stilistisch konnte miscellanea in keine schublade gesteckt werden, zu viele elemente waren vertreten.
eine basis bildete rock, aber ein paar spritzer punk ("ihr seid's die leiwaundste punkband,
die wos kan punk spüt" hat mal ein fan behauptet), ska, funk stecken auch mit drin,
einzelne nummer fielen - quasi als showeinlage - überhaupt komplett aus dem rahmen. gesungen
wurde englisch und deutsch.
rückblickend betrachtet scheint die musik überhaupt bloß transportmittel für
politischen aktionismus gewesen zu sein: bei einem konzert gab es einmal als dank für spenden
des publikums an kein mensch ist illegal ein mix-tape mit proberaumaufnahmen der band (dass
diese einer aufnahmetechnischen katastrophe glichen, sei hier nur nebenbei erwähnt),
konzerterlöse wurden beratungsstellen (wehrdienstverweigerung/zivildienstberatung) vermacht,
im juni 2000 wurde ein zivi-solifestl veranstaltet. auch inhaltlich ging es - neben obligatorischen
beziehungsstücken - in erster linie um politisch-gesellschaftskritische themen.
an "seriösem" musikalischen output produzierte die band ende 1999 ein demo und 2001
das erste und einzige album sachzwänge und andere kindereien.
im gleichen jahr hat sich die band aufgelöst. zu den musikalischen unterschieden, die jahrelang
als guter nährboden dienten, kamen persönliche: die ersten zogen in die große stadt,
die band als identifikationsfaktor trat in den hintergrund. zu viel zeit wurde in (das eigentlich
erfolgreiche) schlichten von streitigkeiten investiert - irgendwann lagen die nerven blank, ein
schlussstrich wurde gezogen.
hit me, one more time
die idee einer reunion stand schon länger im raum, mit der zeit freundeten sich alle
bandmitglieder mit der vision an. da die band nicht im bösen auseinander ging, die musikalische
chemie zwischen den vieren immer gepasst hat und die jahre mit miscellanea für alle vier
prägend gewesen sind, beschloss die combo, es noch einmal krachen zu lassen. oktober 2005
begannen die proben.
in die gegenwart: um 23.45 endlich betreten miscellanea ohne kommentar die bühne - und fünf
jahre sind ungeschehen. da ist vergessen, dass der gitarrist längst sein studium abgeschlossen
hat und eine art seriöser wissenschafter ist, der bassist verheiratet, der sänger bereits
vater ist, die damalige freundin des schlagzeugers genau am heutigen tag heiratet.
die buben sehen aus wie die buben auf alten aufnahmen der band, viele der rund 250 besucherinnen sind
alte bekannte - viele habe ich seit jahren nicht mehr gesehen:
der links steht und fotografiert, hat
mittlerweile eine einjährige tochter. die hinter mir ist die exfreundin meines bruders. die vor
mir die exfreundin des sängers. die rechts neben ihr die mutter des kindes des sängers.
der neben mir mein vater. die rechts hinten meine exfreundin. links vor mir des bassisten gattin.
die dort tanzt meine freundin. die dort drüben war früher in den schlagzeuger verknallt.
das grüppchen im eck sind mitglieder der diversen nachfolgebands miscellaneas. wer hätte
das jemals gedacht, voraussehen können?
gut eineinhalb stunden dauert der gig, fast das ganze repertoire wird dargeboten, nur einige
frühere hits vermisse ich. dafür ist der musikalische dilettantismus
tatsächlich einer professionalität gewichen.
und?
war eh ok.
war sehr schön.
i geh wieder, ham, babysitten.
heute können die vier in diversen projekten angetroffen werden. schlagzeuger rené
singt in der hardcore-combo kimera (www.kimera.at), matthias ist dem bass bei objectx (www.objectx.at) treu
geblieben, stefan und dieter waren zuletzt gemeinsam bei parole emil tätig.